Bio im Keller

Gesunde Trauben werden zu authentischen Weinen

"Guter Wein wird im Weinberg gemacht." Dies ist eine These, die von vielen Biowinzern überzeugt vertreten wird. Und da ist was dran!
Im Bio-Weinkeller geht es darum, die Arbeit, die im Ökosystem Weinberg geleistet wurde, mit ganzheitlichem Verständnis zu vollenden. Winzerin und Winzer werden also versuchen, den Wein so natürlich wie möglich zu vinifizieren, um einen charakterstarken, unverfälschten und sauberen Wein zu erzeugen. Bis vor wenigen Jahren gab es in der EU keine rechtsverbindliche Richtlinie für die Kellerwirtschaft im Bio-Weinbau, daher steht auf Weinetiketten bis zum Jahrgang 2011 der umständliche Halbsatz: ‚Wein aus Trauben aus ökologischer Landwirtschaft‘, denn nur die Landwirtschaft  konnte nach EU Bioverordnung zertifiziert werden. Mit dem 01.08.2012 gibt es nun eine gemeinsame Lösung, die in der EU Verordnung für die sogenannten Kellerrichtlinien für Biowein formuliert ist. Erst seit der Umsetzung dieser Richtlinie, also i. A. mit dem Jahrgang 2012, oder mit nach dem 01.08.2012 abgefülltem Wein darf es „Biowein“ geben. Aber was bedeutet Bio im Weinkeller?
Selbstverständlich ist der Verzicht auf genetisch manipulierte Produkte in der neuen Verordnung definiert, das betrifft im Weinkeller hauptsächlich die Wahl der Hefen. Bio-Reinzuchthefen dürfen aus qualitativen Gründen weiterhin benutzt werden. Dies gilt auch für andere ‚natürliche‘ oder aus natürlichen Produkten gewonnene Hilfsmittel. Lange diskutiert wurden in den Kommissionen die Regeln und Grenzen für die Benutzung von Schwefel als ‚Konservierungsstoff‘. Als Faustregel kann formuliert werden, dass bei Biowein nur maximal 2/3 der im konventionellen Wein erlaubten Gesamtschwefelmenge gemessen wird. An dieser Stelle sei nicht nur erwähnt, dass die meisten BioWeine nach unseren Analysen sehr weit unter diesen Werten auf den Markt kommen, sondern auch der folgende link zu den Kellerrichtlinien genannt:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:071:0042:0047:DE:PDF


Aber nun zur Praxis der Biowinzerinnen und Biowinzer: Im Weinberg wird sorgfältig der richtige Reifezeitpunkt der Trauben für die Lese abgewartet. Die für den Vegetationsverlauf eines Jahres optimale Reife der Traube sollte der Erntetag sein. Optimal bedeutet in diesem Fall: In der Traube soll ein ideales Verhältnis zwischen Säure und Süße bestehen. Weiterhin sollten die Trauben zum Zeitpunkt der Ernte gesund, unverletzt, trocken und nicht zu warm sein. Die Handlese ist schonender und ermöglicht eine bessere Selektion bei der Ernte. Es gibt aber auch moderne Erntemaschinen, die rücksichtsvoll mit den Trauben umgehen. Allerdings ist der Anteil an Fremdmaterial (Blätter, kleine Zweige, Insekten und Schnecken) bei der Maschinenlese immer höher.
Ist die Entscheidung zum Erntezeitpunkt dann mit stetem Blick auf das Wetter und den Zustand der Trauben sowie einer Prise Bauchgefühl erst einmal getroffen, muss alles Hand in Hand gehen, um gesunde Trauben in den Keller zu bekommen. Weiße Trauben werden oft auch schon in der Nacht geerntet, dann sind sie besonders fruchtig. Damit ist eine wichtige Grundlage geschaffen, um wirklich guten und reinen, lebendigen Wein machen und auf chemische Hilfen verzichten zu können.
Neben der Minimierung des Einsatzes von naturnahen Hilfsmitteln wird Wert darauf gelegt, die Weine möglichst wenig physischem Stress auszusetzen. Das heißt, die Trauben werden nur mit geringem Druck gepresst und die Umlagerung der Weine geschieht möglichst mit Unterstützung von natürlichem Gefälle, um den Pumpaufwand niedrig zu halten.
Glücklicherweise gibt es hier Unterstützung durch moderne Technik. Intelligente pneumatische Pressen, temperaturgeregelte Tanksysteme, kleine Kräne, die Tanks heben und moderne Flüssigkeitsfilter sind nur einige Beispiele einer modernen Kellerausstattung, die den Verzicht auf chemische Hilfsmittel unterstützt und dem Wein hilft, sein natürliches Potenzial voll zu entfalten.

Naturnahe Hilfsmittel werden meist nur wenig genutzt und sind regional oft unterschiedlich. Selbstverständlich wird auf synthetische chemische Zusätze, sowie genetisch manipulierte Mittel konsequent verzichtet. In vielen Weingütern wird mit eigenen Hefen gearbeitet. Reinzuchthefen sind erlaubt und aus qualitativen Gesichtspunkten oft eine gute Wahl. Die Gärung der Weine ist verlässlicher und die Aromen des Weins können sauberer und klarer hervortreten. Auch bleibt dem Winzer die Unsicherheit erspart, dass die Gärung auf halbem Wege stecken bleiben könnte.
War das Lesegut in perfektem Zustand, kann bei der Traubenanlieferung meist auf die Zugabe von Schwefelsäure verzichtet werden. Während der Gärung und unmittelbar danach enthalten die Weine oft noch ausreichend CO2, um gegen Oxidation geschützt zu sein. Meist wird mittels moderner Klimatechnik oder durch die natürliche Kühle in alten Kellergewölben für niedrige Lagertemperaturen gesorgt, um unerwünschte Alterungseffekte zu verhindern. Während der Lagerung und vor der Abfüllung ist es allerdings meist unumgänglich, dem Wein etwas Schwefelsäure zuzuführen, um die Aromen zu erhalten, eine Farbveränderung zu vermeiden und die Bakterienproduktion zu unterbinden. Niemand möchte alte, braune Weine mit Essig-Ton trinken. Als Richtwert kann aktuell von einem in der Bio-Weinher-stellung um 40-50 Prozent reduzierten Schwefelsäureeinsatz im Vergleich zur konventionell erlaubten Menge ausgegangen werden. Soweit möglich, wird mancherorts ganz auf die Zugabe von Schwefel verzichtet. Dies geht allerdings mit einer meist verringerten Lagerfähigkeit einher und birgt ein gewisses Risiko hinsichtlich der Haltbarkeit des Weins.
Weitere oenologische Kunstgriffe führen häufig dazu, dass der Wein seine Individualität verliert, die typischen Noten des Terroirs kaschiert werden oder positiv ausgedrückt: Der Wein wird leicht trinkbar und ist geeignet, das Geschmacksbild eines uniformen Mengenträgers zu treffen. Auch das ist im Bereich unserer Weine manchmal ein Ziel. Dies ist aber nicht unser sensorisches wie persönliches Ideal, sondern wir und unsere Partner können auch dieser Nachfrage gerecht werden.
In der Regel werden bei den Weißweinen keine künstlichen Korrekturen des Säuregehalts vorgenommen. Wir bevorzugen das Ausfällen der Weinsäure durch die natürlichen Temperaturschwankungen. Die damit zwingend einhergehende Ausfällung von Weinstein sollte im Idealfall vor der Abfüllung stattfinden. Da es aber in mediterranen Gefilden manchmal gar nicht so kalt wird, dass die Reaktion katalysiert wird, kann es durchaus bei unseren Bioweinen zu kristallischen Depots in den Flaschen kommen, die aber keinen Weinfehler darstellen.
Die Rotweine haben fast alle die sogenannte malolaktische Gärung durchlaufen. Das heißt, sie sind frei von der etwas spitzen Äpfelsäure. Diese Gärung kann durch Temperaturerhöhung ausgelöst werden oder durch die Zugabe von Milchsäurebakterien.
Mögliche weitere Behandlungen, die auch Bioweinen gut tun können, sind mechanische Filtrationen oder Klärung mit Mineralien (Bentonit mit hoher physikalischer Bindungskapazität), um die Weine sanft von Schwebstoffen nach der Gärung zu befreien.
Auch wenn der Einsatz von Gelatine, Hausenblase (ein Fischeiweiß), Eiweiß und Kupfer erlaubt ist, versuchen unsere Winzer, diese nur in extremen Jahrgängen zur Schönung einzusetzen. Allgegenwärtiges Ziel ist es, die Weine natürlich und authentisch zu vinifizieren und in der Kellerarbeit lediglich mechanische Methoden einzusetzen und die weineigenen Potenziale zu nutzen.
Die Lagerung und Reifung von Weinen geschieht unter Auflage von inerten Gasen (Stickstoff) um die Oxidation und Pilzbildung im Oberflächenkontakt mit Luft zu verhindern. In den meisten Fällen sind die Lagerbehälter aus Stein und Zement oder aus Edelstahl. Weitere Reifung findet oft in großen Holzfässern oder in den kleinen Barrique-Eichenfässern statt.
Und wie bereits zu Beginn erwähnt: Selektive, geduldige Arbeit im Weinberg zahlt sich aus. Die meisten Weine machen sich (laut María Barrena Belzunegui von den Bodegas Azul y Garanza) von selbst, wir sollten ihnen nur genügend Zeit lassen. Und das beherzigen auch wir von VivoLoVin in den Weinwerken. Im direkten Kontakt mit den Weinen lernen wir, sie zu verstehen und so natürlich wie möglich zu behandeln - nur so entstehen authentische, naturbelassene und individuelle Weinqualitäten, die stets Freude und Abwechslung bieten.

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